Sonderformen - Beispiel

Eissporthallen-Entscheid: Genug gültige Unterschriften

Nordhorn Die „Bürgerinitiative (BI) zur Rettung der Grafschafter Eissporthalle“ hat genügend gültige Unterschriften für einen Bürgerentscheid zur Sanierung der maroden Sportstätte in Nordhorn gesammelt. Wie der Landkreis Grafschaft Bentheim bestätigt, sind mehr als 10.000 der eingereichten 11.705 Unterschriften gültig. Damit hätte die BI die formalen Voraussetzungen für das angestrebte Bürgerbegehren erfüllt; es wäre der erste Entscheid auf Kreisebene. Die Eissporthalle war im August 2019 wegen akuter Einsturzgefahr durch Schäden in der Dachkonstruktion gesperrt worden.

Was war das Ziel?

Mindestens 8434 Unterschriften von wahlberechtigten Grafschaftern galt es zu sammeln, um ein Bürgerbegehren in die Wege zu leiten. Das Ziel wurde erreicht: „Eine Prüfung der Unterschriften in den Kommunen und beim Landkreis ist in den vergangenen fünf Wochen erfolgt und konnte nun abgeschlossen werden“, teilt der Landkreis auf GN-Anfrage mit. Im Mai hatte die Initiative 11.661 Unterschriften an Landrat Uwe Fietzek übergeben. 44 weitere Signaturen wurden laut Kreis nachgereicht. Insgesamt 10.005 Unterschriften stellten sich schließlich beim Abgleich mit den Wählerverzeichnissen in den Kommunen als gültig heraus, 1700 Unterschriften waren ungültig.

Wann kommt es zur Wahl?

Nach aktuellen Planungen des Landkreises könnte der Bürgerentscheid am 27. September 2020 in der Zeit von 8 bis 18 Uhr stattfinden. Laut Niedersächsischem Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) muss zuvor jedoch der Kreisausschuss die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens feststellen. Nach Landkreisangaben soll diese Entscheidung in der nicht-öffentlichen Sitzung des Kreisausschusses am 9. Juli erfolgen. In der Kreistagssitzung am 16. Juli werde dann der Kreistag durch den Landrat über das Ergebnis unterrichtet. Nach Feststellung der Zulässigkeit muss die Wahl entsprechend dem NKomVG drei Monate später erfolgen.

Wie läuft die Wahl ab?

Die Wahl selbst wird nach jetzigem Stand — genau wie etwa bei einer Kommunalwahl — als Urnenabstimmung in dafür eingerichteten Wahllokalen durchgeführt. Auch eine Briefwahl ist zulässig. Abgestimmt wird über die Frage: „Sind Sie dafür, dass der Landkreis Grafschaft Bentheim die Eissporthalle in Nordhorn in der zurzeit bestehenden Größe schnellstmöglich saniert?“. Für die Sanierung der Halle muss die Mehrheit der abgegebenen Stimmen „Ja“ lauten und in Summe mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten umfassen. Das bedeutet: Der Bürgerentscheid hätte Erfolg, wenn 22.489 Wahlberechtigte „Ja“ sagen.

Kann der Bürgerentscheid noch verhindert werden?

Vorausgesetzt der Kreisausschuss stellt die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens fest, hat nur noch der Kreistag die Möglichkeit, die Wahl abzuwenden, in dem er zuvor „vollständig oder im Wesentlichen im Sinne des Bürgerbegehrens“ (NKomVG, § 32) entscheidet. „Da bis zur Feststellung der Zulässigkeit jedoch kein Kreistag mehr vorgesehen ist, entfällt diese Möglichkeit“, heißt es dazu vom Landkreis. Doch auch danach, in den drei Monaten bis zur Durchführung der Wahl, kann der Kreistag noch für die Sanierung der Halle und damit im Sinne des Bürgerbegehrens entscheiden. Eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung ist bis zur Wahl nicht mehr möglich.

Die Bürgerinitiative kritisiert derweil, die Entscheidung über die Zulässigkeit des Begehrens laufe — obwohl nach Vorgaben des NKomVG — im nicht-öffentlichen Kreisausschuss „hinter verschlossenen Türen“ ab. Sie fordert eine öffentliche Debatte über die Zukunft der Eissporthalle im Kreistag. Dafür will die BI ihr Anliegen am liebsten selber dem Kreistag vortragen. Bislang wurde ihr das aufgrund fehlender Rechtsgrundlagen verwehrt.

Wer finanziert eine Sanierung der Halle?

Über die Finanzierung wird noch gefeilscht: Verantwortlich für die Eissporthalle ist der Landkreis. Nach Ansicht von Landrat Uwe Fietzek müsse sich die Stadt Nordhorn als „Sitzgemeinde“ aber mit 50 Prozent an der Sanierung und den Betriebskosten beteiligen. Die Stadt hatte jedoch angekündigt, sich maximal mit einem Drittel zu beteiligen. Für eine Gesamtsanierung der Halle wurden voraussichtliche Kosten von 5,6 Millionen Euro veranschlagt. Nach Ansicht der BI seien jedoch auch auf mehrere Jahre verteilte Teilsanierungen ausreichend. Unabhängig vom Bürgerbegehren standen auch Neubau und Abriss der Sportstätte zur Diskussion. Die Kreisverwaltung prüfte nach eigenen Angaben zuletzt vorrangig die Voraussetzungen für eine Sanierung, „da dies sowohl Gegenstand des Bürgerbegehrens als auch expliziter Wunsch der Stadt Nordhorn ist.“

 

Von David Hausfeld, erschienen am 30.6.2020 um 13.15 Uhr

Werner trainiert einige der besten Radrennfahrer der Welt

Der aus Neuenhaus stammende Hendrik Werner hat in den vergangenen Jahren den Niederländer Tom Dumoulin auf dem Weg zum Weltklassefahrer begleitet. Seit dieser Saison gehört der frühere Radrennfahrer zum Trainerteam des UCI-World-Teams „Bora-hansgrohe“.

Sineu/Neuenhaus Hendrik Werner ist in diesen Tagen relativ gut zu erreichen; gerade macht er kurzfristig Station in Neuenhaus, seinem Heimatort; zuvor befand sich der frühere Radrennfahrer in Quarantäne. Auf Mallorca, genauer gesagt in Sineu, einem kleinen Örtchen mitten auf der spanischen Insel, fernab der großen Touristenströme. Hier hat der 36-Jährige vor einigen Jahren ein zweites Zuhause gefunden, nach fünf lehrreichen Jahren in Köln bei einem im Radsport tätigen Institut zur Leistungsdiagnostik. Werner wollte sich neu orientieren. „Es hat mich dann irgendwie nach Sineu gespült, hier zu sein hat es mir von Beginn an viel Freude bereitet“, sagt er heute. Hier fällt es ihm leicht, Perspektiven zu wechseln, Dinge aus anderen Blickwinkeln zu betrachten.

Corona-Pandemie trifft auch den Profi-Radsport hart

Das hilft in seiner Arbeit als Trainer im hochklassigen Radsport, da ist sich Hendrik Werner sicher. Im November erst sicherte sich der deutsche Profi-Radrennstall „Bora-hansgrohe“ die Dienste des Neuenhausers, der als Jugendlicher bei Olympia Uelsen mit dem Radsport begann und viele Jahre selbst Rennen fuhr. „Hendrik ist ein Top-Coach, der sich im internationalen Radsport schon einen Namen gemacht hat“, lobt Team-Manager Ralph Denk. Bei „Bora-hansgrohe“ sind viele Weltklassefahrer unter Vertrag, darunter die besten deutschen Athleten. Emanuel Buchmann etwa begeisterte die deutschen Radsport-Fans im Vorjahr mit seinen starken Leistungen und Platz vier in der Gesamtwertung.

Werner ist bei seiner neuen Equipe mit weit mehr als 20 Fahrern einer von vier Trainern. „Jeder von uns betreut eine kleine Gruppe. Alles, was das gesamte Team betrifft, regeln wir aber zusammen“, erzählt Werner. Gerade in Krisensituationen steht das Quartett in engem Austausch – so wie in diesen Wochen. Die Corona-Pandemie hat natürlich auch den Profi-Radsport hart getroffen, die nächsten Rennen und Rundfahrten sind abgesagt. Keiner weiß, wann wieder gefahren werden kann. Die Tour de France als großer Saisonhöhepunkt soll stattfinden, wenn es irgendwie geht. „Die Fahrer sind, solange es noch möglich war, in ihre Heimat zurückgekehrt. Wir stehen mit ihnen in Kontakt und begleiten sie durch diese Krise“, sagt Werner. Er weiß: Der eine brauche mehr Unterstützung, der andere weniger. „Jeder Profi erlebt diese Phase anders.“

„Bora-hansgrohe“ ist eines von zwei deutschen Rennställen, der eine Lizenz als UCI-World-Team besitzt. Der andere ist „Sunweb“. Hier war Werner ab Oktober 2016 rund drei Jahre tätig, nachdem er Köln verlassen und zunächst beim Schweizer Team IAM erstmals als Trainer gearbeitet hatte. Bei „Sunweb“ begleitete er den Niederländer Tom Dumoulin bei seiner Entwicklung zum Weltklassefahrer. „Er hatte einen anderen Trainer und war schon sehr erfolgreich, suchte aber einen neuen Reiz“, erinnert sich Werner. Dumoulin wandte sich schließlich dem Neuenhauser zu. „Es war eine spannende Zeit, in der ich viel von ihm lernen durfte und er von mir gelernt hat“, erzählt Werner.

Großes Interesse an Trainingsmethoden

Um große Namen geht es ihm in seinem Job aber nicht unbedingt, das hat er schon als Mitarbeiter des Instituts in Köln gemerkt, das mit vielen Spitzenathleten zusammenarbeitete. „Die Arbeit mit Top-Stars hat mich nicht mehr begeistert als mit anderen Menschen.“ Ein Faible für Trainingswissenschaften hatte er hingegen schon immer, auch bei seinen langen Ausfahrten als Jugendlicher in der Grafschaft hat er bereits viel experimentiert. „Das hat mir Spaß gemacht: zu sehen, was mit mir passiert, wenn ich dieses oder jenes am Training ändere.“ Diese Erfahrung hilft ihm jetzt in der Zusammenarbeit mit den besten Fahrern der Welt.

Dumoulins Gesamtsieg beim Giro de Italia 2017, die Goldmedaille bei der WM im Einzelzeitfahren im gleichen Jahr oder auch der zweite Platz der Gesamtwertung bei der Frankreich-Schleife inklusive eines Etappensiegs sind für Hendrik Werner deshalb zwar eine Bestätigung ihrer gemeinsamen Arbeit. „Ich freue mich aber vor allem über die Entwicklung des Fahrers“, sagt der 36-Jährige.

2009 gewinnt Werner den Nordhorner Sparkassenpreis

Seine eigene Entwicklung begann Ende der 1990er-Jahre während seiner Zeit als Gymnasiast in Neuenhaus. „Es war die Zeit, als Jan Ullrich bei der Tour so stark war“, erzählte er vor 17 Jahren in einem GN-Porträt. Ehe er sich mit 16 Jahren der Radsportabteilung des SV Olympia Uelsen anschloss, hatte er Leichtathletik und einige Mannschaftssportarten ausprobiert. Radfahren wurde aber seine Passion, schnell feierte er Erfolge. Im Verlauf seiner Karriere in unterschiedlichen Teams verstand er das Radrennfahren aber „immer mehr eher als ein großes Spiel.“ Er weiß: „Für meine Mannschaften war es manchmal schwierig. Für einige meiner Teamkollegen war meine Fahrweise zum Teil schwer nachvollziehbar.“ Im Jahr 2003 erhielt er als 20-Jähriger einen Vertrag beim niederländischen Team Moser-Albert-Heyn, insgesamt fuhr er vier Jahre in Kontinental Teams (zwei Jahre Team Moser, ein Jahr Team Akud und ein Jahr Heinz von Heiden). „Den Antrieb, Profi zu werden, habe ich in letzter Konsequenz nie in mir gespürt“, sagt er. Er gewann Jahr für Jahr einige Rennen, nebenbei zog er von 2005 bis 2009 sein Studium durch. Regelmäßig war Werner beim Internationalen Sparkassenpreis am Start, einem hochklassigen Rennen in der Nordhorner Blumensiedlung. 2009 feierte der Lokalmatador endlich seinen ersten Sieg beim 72 km langen Hauptrennen. Ein Jahr später fand der Sparkassenpreis zum letzten Mal statt, Hendrik Werner startete allerdings weiter durch.

Von Holger Wilkens, erschienen am 2.4.2020 um 11.30 Uhr

Warum Dorothee Bär die EU-Urheberrechtsreform ablehnt

Die Staatsministerin für Digitalisierung spricht sich für ein freies Internet aus

Main-Post 22.03.19 Dorothee Bär

Gastbeitrag

Schon zu Zeiten, als die Digitalpolitik noch in den Kinderschuhen steckte und Netzpolitik hieß, gab es ein Thema, das auch jetzt immer wieder auf die Agenda kommt und höchst emotional diskutiert wird: das Urheberrecht. Das hat viele Gründe. Einer davon ist, dass wir es bis heute nicht geschafft haben, dieses alte Recht so anzupassen, dass es in die digitale Zeit passt.

Nun ist es wieder soweit: Das EU-Parlament stimmt über eine neue Richtlinie zur Modernisierung des Urheberrechts ab. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich halte die Richtlinie so, wie sie jetzt zur Abstimmung vorliegt, für falsch.

Das hat mehrere Gründe. Da ist zunächst die Tatsache, dass schon jetzt abzusehen ist, dass die dort festgehaltenen Regelungen nicht zu Rechtssicherheit und Klarheit führen, sondern zu einer maximalen Verwirrung. In Artikel 11 geht es um ein europäisches Leistungsschutzrecht. Ein solches weitreichendes Industrierecht gibt es bereits in Deutschland – ich hatte nicht viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die 2013 mit mir dagegen gestimmt hatten. Und inzwischen weiß man: Es funktioniert nicht. Denn anstatt große Suchmaschinenanbieter dazu zu bringen, Verlage aus abgetretenem Verwertungsrecht der Autoren für die Inhalte zu bezahlen, hat man sie dazu gebracht, Gratislizenzen zu vergeben, um auch weiterhin die hohen Reichweiten über Google und ähnliche Plattformen zu erzielen. Bei den Urhebern wäre ohnehin nur wenig Geld angekommen.

In Deutschland ist das Modell gescheitert

Anstatt aus den Fehlern zu lernen und zu diskutieren, ob es ein besseres Modell geben könnte, das den Kreativschaffenden zugutekommt, hebt man nun ein gescheitertes Modell auf eine höhere Ebene. Warum aber soll in Europa erfolgreich sein, was auf nationaler Ebene gescheitert ist?

Ein weiteres großes Problem des aktuellen Reformvorschlags ist, was gemeinhin mit dem Begriff „Uploadfilter“ umschrieben wird. Dabei wird von denjenigen, die die EU-Richtlinie verteidigen, immer wieder darauf hingewiesen, dass dieses Wort gar nicht im Gesetzestext stehe. Das ist richtig. Der betreffende Artikel 13 beschäftigt sich mit der Haftung der Betreiber für die Inhalte, die die Nutzer auf alle entsprechenden Plattformen hochladen. Das ist nichts Neues. Bisher galt aber das Prinzip „Notice and take down“: Liegt ein Rechtsverstoß vor und erfährt der Betreiber davon, muss der entsprechende Inhalt von der Plattform genommen werden.

Tritt der neue Artikel in Kraft, muss das „Notice“ bereits vor der Veröffentlichung stattfinden, was nichts anderes bedeutet, als dass alle Inhalte bereits während des Uploads auf etwaige Verstöße geprüft werden müssen. Also über den Einsatz von Uploadfiltern. Das aber ist in vielerlei Hinsicht problematisch.

Es ist richtig und wichtig, dass das Urheberrecht nicht alles verbietet, wenn es um die Nutzung geistigen Eigentums anderer geht. So gibt es Schranken, also lizenzfreie Ausnahmen zugunsten der Öffentlichkeit, etwa im Bereich der Satire oder des Zitatrechts. Allein: Diese sinnvollen Regelungen werden zur Makulatur, wenn die entscheidende Instanz die entsprechenden Kriterien gar nicht erkennen kann. Uploadfilter kennen keine Ironie, wissen nichts von Satire und können im Zweifel nicht entscheiden, ob ein Zitat unter die künstlerische Freiheit fällt oder nicht. Problematisch ist dies auch, weil es dadurch zum Overblocking kommt: Auch rechtmäßige Inhalte werden gelöscht, weil man kein Risiko eingehen möchte. Löschen ist sicherer und einfacher, als in einem möglichen Verfahren darzulegen, warum man in einem bestimmten Fall keinen Verstoß gegen geltendes Recht sieht. Und so wird klar: Weder dem Urheber ist damit gedient, noch denen, die die Werke lesen, sehen oder hören möchten.

Profitieren würden die Internetgiganten

Ein weiteres bedenkliches Kuriosum ist, dass genau diejenigen von der Richtlinie profitieren würden, denen man ja einen Teil ihrer Macht entreißen wollte: Denn die nötige Filtertechnologie wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von einem Start-up in Deutschland entwickelt und weltweit eingesetzt, sondern eher erneut in Kalifornien bei den großen Unternehmen. Kleine Plattformen müssen also zwangsweise Produkte der Giganten kaufen, die gefilterten Daten bleiben nicht in Europa, und erneut würden wir, wie bereits beim Leistungsschutzrecht, das Gegenteil von dem erreichen, was wir mit dieser Reform erreichen wollten.

Das alles ist doppelt ärgerlich, wenn man bedenkt, das niemand ernsthaft abstreitet, dass Urheber für ihre Leistung und für ihre kreative Arbeit adäquat und fair bezahlt werden und dafür auch mit wirksamen Rechten ausgestattet sein müssen. Daher bin auch ich nicht gegen das Urheberrecht. Im Gegenteil: Ich kämpfe dafür, weil ich der Meinung bin, dass die Möglichkeiten der Kreativität und der künstlerischen wie journalistischen Arbeit nie größer waren als heute.

Die EU-Richtlinie, wie sie dem EU-Parlament zur Abstimmung vorliegt, ist aber nicht der richtige Weg. Es wäre jetzt notwendig, nochmals auf Anfang zu gehen und endlich ein Urheberrecht zu schaffen, das den europäischen Binnenmarkt stärkt anstatt ihn zu schwächen, das Klarheit schafft statt Unsicherheit – ein Modell zugunsten der Wertschöpfung, der Informationsfreiheit, der Kreativität und des freien Internets.

„Wir brauchen die richtige Balance beider Welten“

Warum die Digitalisierung vieles besser, effizienter und leichter macht

30 Jahre www: Gastbeitrag

Main-Post 12.03.19 Judith Gerlach

„Das Internet ist nur ein Hype“, sagte der Microsoft-Mitgründer Bill Gates. Das war wohl ein Irrtum. 30 Jahre Internet ist vor allem eine Erfolgsgeschichte: Menschen aus aller Welt können miteinander kommunizieren; immer mehr Beschäftigte arbeiten von zu Hause aus und das ganze Wissen dieser Welt steht mit einem Mausklick zur Verfügung. Natürlich gibt es auch Schattenseiten, etwa Hackerangriffe, Fake News oder Cybermobbing – hier müssen wir gegenhalten. Nach drei Jahrzehnten Internet überwiegt die positive Bilanz: Das Internet und die darauf aufbauende Digitalisierung machen uns das Leben leichter, die Welt wird globaler und der bayerischen Wirtschaft eröffnen sich ganz neue Geschäftsmodelle.

Frei nach Karl Valentin sind Vorhersagen, wie die digitale Welt in 30 Jahren aussehen wird, schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Auf jeden Fall wird vieles, was wir heute noch als bahnbrechend und innovativ wahrnehmen, einfach schon zum Alltag gehören. Ich sehe das bei meinen Kindern. Beide gehen mit moderner Technik ganz selbstverständlich um, weil sie es so gewohnt sind. Wir müssen aber aufpassen, dass die „Digital Natives“ künftig noch einen Stift halten können. Wir brauchen die richtige Balance beider Welten.

Wenn ich gefragt werde, wie ich mir 2049 vorstelle, dann glaube ich, dass wir alle mehr Zeit für Familie, Freunde und unsere Hobbies haben, da uns Maschinen viele lästige Aufgaben abnehmen. Arbeitsunfälle wird es kaum noch geben, weil dort, wo es gefährlich wird, Kollege Roboter übernimmt. Sehbehinderte können Datenbrillen als tragbare Navigationsgeräte nutzen, und der Verkehr fließt völlig autonom.

In den Schulen kann jeder sein eigenes Lerntempo auf dem Tablet selbst bestimmen und die Aufgabe der Lehrer wird es dann sein, Gruppenarbeiten zu moderieren und bei Verständnisfragen individuell auf die Schüler einzugehen. Arbeiten werden wir auch vom Wohnzimmer aus oder von unterwegs. Und die Arbeitswelt insgesamt, wird sich grundlegend verändert haben: Neue Berufe werden entstanden sein, virtual-reality-Architekten oder eLearning-Konzepter. Teilweise sehen wir das ja schon. Wer heute in einer Autowerkstatt arbeitet, muss nicht nur einen Schraubenschlüssel bedienen können, sondern auch einen Computer. Mittels Telemedizin und OP-Robotern können selbst schwierigste Behandlungen überall durchgeführt werden – auch wenn der Arzt selbst am anderen Ende der Welt sitzt. Die Umgangsformen werden auch in der digitalen Welt die entscheidende Grundlage für unser Miteinander sein. Bei manchen Kommentaren in den sozialen Netzwerken fragt man sich heute, ob manche Leute schon einmal was von Netiquette gehört haben. 2049 werden wir gelernt haben, dass es nicht auf den Kommunikationskanal ankommt, sondern auf den Ton. Das gilt digital genauso, wie analog.

Ob es soweit kommt, werden wir sehen. Entscheidend für die weitere Entwicklung ist die digitale Infrastruktur: Breitband und Mobilfunk, insbesondere 5G. Hier hat nicht nur der Bund die Weichen gestellt, sondern auch der Freistaat Bayern fördert den Ausbau mit 2,5 Milliarden Euro. Dann geht es darum, dass wir bei Forschung und Entwicklung den Anschluss an die Weltspitze halten. Wenn es beispielsweise um künstliche Intelligenz geht, richtet sich der Blick momentan vor allem Richtung China und in die USA. Wir wollen, dass Bayern ein Flaggschiff der Digitalisierung wird. Deswegen investieren wir in unsere Hochschulen und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, um das Profil bei den Schlüsseltechnologien Big Data und Künstliche Intelligenz weiter zu schärfen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen schnell den Weg in die Praxis finden und zügig auf den Markt gebracht werden. Was wir dabei nicht vergessen dürfen, sind die Menschen, die einem disruptiven Wandel ausgesetzt sind. Lebenslanges Lernen ist heute wichtiger denn je. Das bedeutet, dass wir Schüler, Auszubildende und Studierende für eine digitalisierte Arbeitswelt fit machen müssen. Auch wer heute schon berufstätig ist, braucht das nötige Handwerkszeug, um nicht den Anschluss zu verlieren. Dafür haben wir geeignete Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen geschaffen.

Für mich überwiegen die Vorzüge der digitalen Welt und das nicht nur von Berufs wegen. Ich bin fest überzeugt, dass die Digitalisierung vieles besser, effizienter und leichter macht. Digital und analog sind in vielen Bereichen absolute Gegensätze, sie ergänzen sich aber auch sehr gut: Der schönste Spaziergang ist immer noch der im Freien. Trotzdem ist für mich ein Video-Chat mit meiner Familie, zwischen zwei Terminen, unbezahlbar. Und die Schafkopfrunde mit Freunden wird auch 2049 nicht virtuell sein, sondern ganz real.

Judith Gerlach (33) wurde Anfang November überraschend als erste bayerische Staatsministerin für Digitales in das CSU/Freie-Wähler-Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder berufen. Die studierte Juristin und Mutter zweier Kinder ist in Würzburg geboren und später in Aschaffenburg aufgewachsen. Judith Gerlach ist die Enkelin des CSU-Politikers Paul Gerlach.

Der Gutenberg des 21. Jahrhunderts

30 Jahre www: Der britische Physiker Tim Berners-Lee gilt als Vater des World Wide Web. Warum er mit dessen Entwicklung nicht ganz zufrieden ist.

Main-Post 12.03.19 Markus Bär

Manche Erfinder und Entdecker sind und bleiben weltberühmt: Nehmen wir Alexander Fleming, der das Antibiotikum Penicillin entdeckte. Oder Johannes Gutenberg, der als Erfinder des modernen Buchdrucks in die Geschichte einging. Tim Berners-Lee wurde in den Medien schon als Johannes Gutenberg des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Tim Berners-Wer? In der Tat: Kaum jemand kennt den britischen Physiker. Dabei gilt er als Vater des World Wide Web (WWW).

Am 12. März vor 30 Jahren hatte Berners seinem damaligen Arbeitgeber, dem europäischen Kernforschungszentrum Cern in Genf, ein Projekt vorgeschlagen, um Wissenschaftlern den weltweiten Austausch von Informationen zu erleichtern – mittels Hypertext. Das heißt, verkürzt gesagt: Man kann durch Links, wie auf heutigen Internetseiten, auf andere Inhalte springen. Zudem erfand Berners-Lee die Sprache HTML, mit der Webbrowser bis heute Internetseiten darstellen. Berners-Lee ist dadurch zwar nicht Erfinder des Internets. Das gab es bereits seit 1969 – als ein Netzwerk, das Großrechner verband – zunächst nur in den USA. Aber der Brite schuf die Grundlagen für das WWW in der Form, wie wir es heute täglich nutzen.

Wer ist nun dieser Gutenberg des 21. Jahrhunderts? Der seine Ideen nicht patentierte, sondern frei weiter gab? Und so zwar eben nicht reich wurde. Aber die rasante Entwicklung des Netzes ermöglichte. Tim Berners-Lee, geboren am 8. Juni 1955 in London, wurde die Nähe zu Computern quasi in die Wiege gelegt. Seine Eltern waren Mathematiker, die Ende der 1940er Jahre einen der ersten Computer der Welt, Manchester Mark I, mitentwickelten. Er studierte Physik in Oxford und war später auch am Cern tätig. Menschen, die mit ihm zusammenarbeiteten, bezeichnen ihn als „sehr nett“, aber auch kompliziert. Sein Verstand arbeite so schnell, dass er Probleme gehabt habe, sich auszudrücken.

Berners-Lee ist es bis heute wichtig, dass sich das Internet frei entwickelt. Diese Denkweise fußt womöglich auch auf seiner unitaristischen Weltanschauung, einer theologischen Auffassung, die eigenständiges Denken über Dogmen stellt, die kirchliche Institutionen vorgeben. Mit der heutigen Entwicklung des WWW ist Berners-Lee überhaupt nicht zufrieden – weil Internetriesen wie Google oder Amazon dominieren. Berners-Lee, der in England und Massachusetts lehrt, ist auch Vorsitzender des World Wide Web Consortium (kurz W3C) – dem einflussreichen Standardisierungsgremium für das WWW. Er arbeitet derzeit an einer Modifizierung des Netzes, bei dem Daten nicht in Daten-Wolken (Clouds) von Firmen, sondern in – nur privat zugänglichen – Clouds gespeichert werden.

Das Mädchen, das den Planeten retten will 

Ihr Kampf für mehr Klimaschutz hat die 16-jährige Greta Thunberg zu einer Ikone für Jugendliche weltweit gemacht

Main-Post 9.02.19 Steffen Trumpf (dpa)

Es ist kalt an diesem Morgen in Stockholm. Greta Thunberg trägt eine pinkfarbene Skihose, ihre violette Winterjacke, dazu zwei Mützen, Handschuhe und Schal. Neben ihrem Rucksack und einer Thermoskanne mit Tee lehnt ein Schild mit der Aufschrift „Skolstrejk för klimatet“ im Schnee – „Schulstreik fürs Klima“. Seit die 16-Jährige im August 2018 mit ihrem Protest begonnen hat, ist dieses Schild so berühmt geworden wie sie selbst. Ihr Kampf für stärkere Anstrengungen gegen den Klimawandel hat die Schwedin bekannt gemacht: Sie fuhr zur Klimakonferenz nach Kattowitz und zum Weltwirtschaftsforum nach Davos, wo sie vor Toppolitikern und Topmanagern einen zu lahmen Einsatz fürs Klima geißelte. „Ich will, dass ihr in Panik geratet“, sagte sie. „Ich will, dass ihr handelt, als wenn euer Haus brennt, denn das tut es.“

Thunberg, Nachfahrin von Chemienobelpreisträger Svante Arrhenius, hat im Alter von acht Jahren vom Klimawandel gehört. Mit elf bekam sie Depressionen, mochte zeitweise nicht mehr sprechen und essen. Mit 15 begann sie mit ihrem Protest. Anstatt zur Schule ging sie mit ihrem Schild vor den Reichstag in Stockholm. Angefangen hat sie alleine. Heute folgen ihrem Beispiel Abertausende Schüler in aller Welt.

„Das ist ganz schön groß geworden. Das überrascht mich“, sagt die Neuntklässlerin. Als Vorbild betrachtet sie sich trotzdem nicht, nicht einmal als sonderlich stark. „Ich bin nicht so, wie die Leute denken“, sagt sie mit leiser Stimme. „Ich bin ziemlich ruhig. Privat spreche ich so gut wie gar nicht. Ich bin sehr empfindsam.“ In Schweden nennen manche sie, auch die „Pippi Langstrumpf des Klimas“. Thunberg lebt in vielem das Ideal eines klimabewussten Menschen, ernährt sich vegan und ist noch nie geflogen. Dass für ihren Protest freitags der Schulunterricht flachfällt, sehen ihre Eltern kritisch. „Sie mögen nicht, dass ich nicht zur Schule gehe. Aber sie stehen hinter meiner Botschaft und wissen, dass ich das für eine gute Sache tue“, sagt die Neuntklässlerin.

Thunbergs Gegner laufen online Sturm gegen sie. In Hasskommentaren wird sie als „lächerliche kleine Witzfigur“ oder Schlimmeres bezeichnet. Zu Gretas Geschichte gehören neben diesen Angriffen auch Vorwürfe. Ein PR-Berater habe sie, die Minderjährige mit dem Asperger-Syndrom, für seine Sache vor den Karren gespannt, hieß es da etwa. Dem schiebt Gretas Vater Svante Thunberg einen Riegel vor: „Hinter Greta steht niemand anderes als Greta selbst“, sagt er. Greta Thunberg scheint der Hass im Netz kalt zu lassen: Es sei positiv, wenn sie und andere Klimaschützer manche Leute so sauer machten. „Das bedeutet, dass etwas passiert ist, dass sie uns als Gefahr betrachten.“ 

Was dürfen werdende Eltern wissen?

Die Frage, ob der Bluttest auf das Down-Syndrom zu mehr Abtreibungen führt, beschäftigt die Union. Sie ringt in der ethischen Grundsatzfrage um eine klare Richtung.

Main-Post 9.04.19 Bernhard Junginger

Berlin

Die Diskussion um Bluttests zur Erkennung von Trisomie 21 bei Ungeborenen und der rasante Fortschritt der Gentechnik haben diese Frage in den Fokus von CDU und CSU gerückt. Die Schwesterparteien mit dem „C“ im Namen wollen verhindern, dass mehr Babys mit dem Verdacht auf Erbkrankheiten abgetrieben werden und der Mensch zum Schöpfer eines vermeintlich perfekten Nachwuchses wird. „Jeder Mensch trägt die gleiche Würde, egal ob mit Down-Syndrom oder mit einer anderen Beeinträchtigung, wenn es überhaupt als solche zu bezeichnen ist“, betonte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am Montag in Berlin.

Die Fragen über die Grenzen des Fortschritts will die CDU in die Diskussionen um das neue Grundsatzprogramm einweben. Bis zum Sommer wollen die Christdemokraten Antworten geben, was passiert, wenn über Tests schon im Mutterleib die Vorprägung für bestimmte Krankheiten an den Embryonen überprüft werden kann.

Angefacht hat die Debatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der Bluttests zur Erkennung von Trisomie 21 zur Leistung der gesetzlichen Krankenkasse machen will. So sollen die Kassen die bis zu 200 Euro teure Behandlung übernehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft besteht. Dies gilt als gegeben, wenn die Mutter bereits 35 Jahre alt ist. Bislang trägt die gesetzliche Krankenkasse Fruchtwasseruntersuchungen mit einer Nadel, um das Ungeborene auf Erbkrankheiten zu untersuchen. Das Verfahren ist aber riskanter als Bluttests. „Wenn jetzt ein Test kommt, der quasi kein Risiko mehr hat, dann müssen die Kassen das zahlen“, sagte Spahn der „Bild“-Zeitung. CDU-General Ziemiak schätzt, dass seine Partei mehrheitlich hinter Spahns Vorschlag steht. Aber es gibt auch einflussreiche Stimmen, die sich dagegen positionieren, wie zum Beispiel der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet. „Ich finde, die Kassen sollten das nicht finanzieren. Das Signal, dass man im Vorfeld über die Wertigkeit von Leben urteilt, halte ich für falsch“, sagte Laschet.

Bei der CSU will die Spitze der Landesgruppe den Abgeordneten im Bundestag keine Vorgaben machen. Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger plädiert dafür, werdenden Müttern ab dem 35. Lebensjahr die Tests von den Kassen bezahlen zu lassen. „Es darf aber in Zukunft nicht dazu kommen, dass das gesamte Genom von Ungeborenen auf Krankheiten untersucht wird“, sagte Pilsinger gegenüber dieser Redaktion. Der Abgeordnete und Arzt warnte eindringlich vor designten Babys.

Ob die Kassen die Bluttests übernehmen werden, entscheidet allerdings nicht die Politik, sondern der Gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen, Ärzten, Kliniken und Patientenvertretern. Frühestens im August werden die Fachleute über einen Beschluss beraten. Erst im Herbst nächsten Jahres würde eine Änderung wirksam werden.

Die gesetzlichen Krankenversicherungen begrüßen die Diskussion. „Diese grundlegende ethische Debatte gehört in den Deutschen Bundestag“, sagte die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer. Das Parlament will sich am Donnerstag in einer „Orientierungsdebatte“ ohne Fraktionsvorgaben mit den Tests befassen. Bei einem Down-Syndrom haben Betroffene in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere Menschen: Chromosom 21 ist dreifach vorhanden (Trisomie 21). Folgen sind körperliche Auffälligkeiten und eine verlangsamte geistige Entwicklung.

Enteignungen: Was darf der Staat?

Berliner Volksbegehren sorgt für Diskussionen

Berlin

Wie vor hundert Jahren leben Familien auf engem Raum zusammen. Und Geringverdiener werden an den Stadtrand gedrängt, während gefühlt immer neue Luxuswohnungen hochgezogen werden: Steigende Mieten und eine neue Wohnungsnot, gerade in den Städten, bergen sozialen Sprengstoff. Am Samstag gingen deswegen Zehntausende Menschen in etlichen Städten auf die Straße. In Berlin, wo die Misere besonders schlimm ist, begann gleichzeitig ein Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Fragen und Antworten dazu:

Sind staatliche Enteignungen überhaupt legal?

Ja, die Möglichkeit ist im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen. Es gelten aber Bedingungen. Enteignungen müssen nach Artikel 14 dem Wohl der Allgemeinheit dienen und auf Basis eines Gesetzes ablaufen. Zudem muss der Staat die Betroffenen entschädigen. Eine Enteignung darf nach der Rechtsprechung aber immer nur das letzte Mittel sein, es darf keine andere zumutbare und vertretbare Lösung geben. Enteignungen sind hierzulande nicht unüblich, etwa wenn Straßen, Stromleitungen oder Bahntrassen gebaut werden sollen, die Grundstückseigner aber partout nicht verkaufen wollen.

Was ist gemeint mit einer Vergesellschaftung, auf die sich das Berliner Volksbegehren beruft?

Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen – Spekulation bekämpfen“ will, dass der Berliner Senat nicht Artikel 14 des Grundgesetzes anwendet, sondern Artikel 15. Darin heißt es: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Das nennt sich Vergesellschaftung. Das Volksbegehren soll erreichen, dass mit einem Landesgesetz alle profitorientierten Unternehmen vergesellschaftet werden, die in Berlin mehr als 3000 Wohnungen im Bestand haben. Ziel ist die Überführung von rund 200 000 Wohnungen in eine Anstalt öffentlichen Rechts, die von Mietern und direkt gewählten Vertretern der Stadtgesellschaft demokratisch verwaltet werden soll. „Es geht also nicht um Verstaatlichung, sondern um eine neue, demokratisch-solidarische Wirtschaftsform“, schreibt das Bündnis. Der neuen Anstalt wäre es verboten, Wohnungen zu privatisieren oder Profite auszuschütten. Das gesamte Vorhaben ist juristisches Neuland, denn Artikel 15 ist nach Angaben des Justizministeriums noch nie zur Anwendung gekommen. (dpa)